Das Problem der unmöglichen Rekrutierung neuer Truppen stellt sich für Russland ebenso wie für die Ukraine. Von den 10.000 nordkoreanischen Hilfstruppen, die Kim Jong-un Putin zur Verfügung gestellt hatte, waren drei Wochen nach ihrer Lieferung bereits 1.000 in der russischen Oblast Kursk gefallen, laut einer Information des sudkoreanischen Geheimdienstes Nach einem Monat erreichten die Toten die Zahl von 3 000 laut ukrainischer Quellen. Hinzu kommen wirtschaftliche Schwierigkeiten Russlands trotz der Hilfe aus China. Doch die Hoffnung, die die Ukraine in amerikanische Langstreckenraketen setzte, war nur von kurzer Dauer, ebenso wie die Hoffnung, die vor einem Jahr durch die Lieferung deutscher Leopard- und amerikanischer Abrams-Panzer geweckt wurde.
Die Zahl der an die Ukraine gelieferten amerikanischen Raketen ist sehr unzureichend und Russland hat seine Militärstützpunkte und Flughäfen aus der Reichweite von diesen ATACMS verlegt, die nur bis zu 300 km reicht. Sie reichen zwar doppelt so weit wie die ukrainischen Tochka-U-Raketen, die aus der Sowjetzeit stammen. Aber weniger weit als die französischen Scalp oder die britischen Storm Shadow, die von Kampfflugzeugen abgefeuert werden. Die ATACMS werden von Bodenartilleriesystemen projiziert. Das ATACMS verteilt bis zu 300 Minibomben auf und um sein Ziel. Ihre Stückkosten betragen etwa 1 Million US-Dollar.
Der Einsatz dieses Projektils störte den Krieg nicht. Weil die Ukraine bereits hinter den russischen Linien zuschlug. Doch bevor er den Staffelstab an Trump übergab, überschritt Biden im Herbst 2024 einen psychologischen Meilenstein und wischte die Warnungen des Kremls beiseite, der mehrfach gesagt hatte, der ukrainischen Armee ATACMS anzubieten wäre eine Eskalation jenseits der roten Linie zum atomaren Schlagabtausch. Biden überschritt endlich eine rote Linie und wurde zu einer Konfliktpartei. Aber Putin begnügte sich damit, die nukleare Drohung zu verbreiten, von der wir wissen, dass er sie nicht einsetzen darf.
Zelensky hat angedeutet, dass er nach einem Friedensschluss bzw. Waffenstillstand zurücktreten wird und demokratische Wahlen zulassen wird, die der Notstand zurzeit verbietet. Er hat aber so viele Opfer – wie sein Volk – gebracht, dass er nicht in den verdienten Ruhestand gehen kann, ohne zu wissen, dass die Ukraine mindestens ein Vierteljahrhundert gesicherten Frieden haben wird und seine Wunden pflegen kann.
Putins Probleme sind das eine, die Probleme des russischen Militärs das andere:
Halten wir zunächst mal fest, dass der Krieg aus russischer Sicht offiziell kein Krieg sondern eine Strategische Militäroperation (SMO) ist. Das bedeutet, dass Putin und nicht das Militär das Oberkommando hat.
Somit ergeben sich zwei völlig unterschiedliche Ansichten und Ziele: Für Putin steht der politische Erfolg im Vordergrund. Für das Militär der militärische-strategische und auch das Leben der Soldaten.
Beispiel ist der aktuelle Kampf um den nördlichen Teil des Kherson Oblast, der durch den Djnepr vom durch Russland besetzten Süden getrennt ist:
Da die Ukraine die 3 Brücken über den Djnepr zerstört oder beschädigt hat, sind im nördlichen Bereich (violettes Viereck) die rund 20–25k Russen isoliert und können nur noch beschränkt versorgt werden.
Entsprechend möchten die russischen Generäle die Soldaten aus dieser Falle herausnehmen.Putin ist dagegen, da er den Verlust der Stadt Kherson (oranger Pfeil) aus politischen Gründen nicht hinnehmen kann.
Also riskiert Putin hier das Leben von 20–25 k russischer Soldaten für seine politischen Ziele.
Ein weiter Konfliktpunkt ist der Versuch, den Donbass zu erobern:
Wir sehen oben im violetten Rahmen um Donetzk das bevorzugte Vorstoss-Gebiet der Russen.Ich habe mal mit orangen Pfeilen die Stossrichtung der russischen Offensive eingezeichnet.
In diesem Bereich haben die Russen ihre grösste Kampfkraft konzentriert, denn ihr Ziel ist ja weiterhin, den Donbass in Richtung Westen zu erobern.
Einerseits verständlich, militärisch aber sinnlos, denn genau in dieser Region stossen sie auf ukrainische Verteidiger, die sich 8 Jahre lang im Gebiet verschanzt und entsprechende Stellungen aufgebaut haben. Da ist nun mal kein Durchkommen.
Putin verheizt dort also Truppen, die in der Verteidigung im Norden und an der Kherson-Front fehlen.Die Konsequenz ist, dass es in diesem violetten Bereich nur meterweise – wenn überhaupt – vorwärts geht, während die Ukrainer an anderer Stelle locker die geschwächte russische Verteidigung durchbrechen und Gebietsgewinne erzielen.
Also auch hier ein Konflikt zwischen der politischen Denke Putins und der militärisch bestmöglichen Strategie!
Nun, wir wissen aus der Erfahrung mit Hitler, dass es nie gut ist, wenn sich ein militärisch gänzlich unerfahrener Zivilist in militärische Führung einmischt. Hier ist es nicht anders.
Also: Wohin führt uns das alles?
Putin trifft politisch motivierte Entscheidungen, die militärisch schlecht sind und Leben kosten. Damit ist er per Definition schon mal in Konflikt mit dem Militär, das sich dieser Szenarien erinnern und sie dereinst gegen Putin verwenden wird.
Mit den neuen Teilmobilmachung ab 21. September versucht Putin, diese Fehler zu korrigieren, indem er nochmals 300k Soldaten in die Schlacht schickt. Hierbei eröffnen sich aber neue Probleme:
Massenflucht von jungen Russen
Fehlende Ausbildung der Rekruten
Fehlende Ausrüstung (Schlafsäcke, Matten Medi-Kits, Schutzwesten) für die Rekruten.
Zunehmend offene Opposition aus einigen Regionen (z.B. Dagestan) gegen die Zwangsrekrutierungen.
Was wird also passieren, wenn Putin auch unter diesen 300k Rekruten überdurchschnittlich viele Verluste an die Soldatenmütter vermelden muss?
Derzeit werden in der Ukraine russische Rekruten ohne militärische Ausbildung eingesetzt, denen eine verrostete AK-47 als einzige Waffe übergeben wird:
Schlafsäcke, Schlafmatten, Schutzwesten oder Erste-Hilfe-Kits müssen sich die Soldaten selbst kaufen.
Wenn die also mit dieser oder weniger Ausrüstung an die Front kommen ohne weitere Hilfsmittel und ohne Ausbildung:
Was erwartet die russischen Soldaten?
Ukrainische Spezialeinheiten. Ausgerüstet mit allem, inklusive Nachtsichtgeräten und darauf spezialisiert in der Nacht feindliche, russische Stellungen anzugreifen!
Und jetzt versetzen wir uns mal in die Lage eines ängstlichen, hungernden, frierenden russischen Rekruten, der an eine Front geschickt wird, die er nicht kennt, in einem Krieg, den er nicht will und jede Nacht wird er durch ein paar Schüsse geweckt, abgegeben durch Soldaten, die er nie sieht und jeden Morgen sind ein paar seiner Kameraden tot.
Was wird er fühlen? Was wird er seiner Mutter am Telefon erzählen? Was wird diese auf VKontakt posten?
Fazit:
Je länger der Krieg läuft und je schlechter für Russland umso mehr Druck wird Putin bekommen: Vom FSB, vom Militär (den Generälen), von den Soldaten-Müttern.
Putin hat sein politisches Schicksal von diesem Krieg abhängig gemacht. Er wird bestimmt nicht als Obersieger auf dem Roten Platz in Moskau eine Triumphfeier begeht. Er muss zurücktreten oder Zyankali schlucken.
(Brief des Sebständigen Informatikers HTL Marcus Fabian in Quora Digest, 20.12.24)