Die Franzosen fordern vom Staat Maßnahmen gegen den radikalen Islam

Einer Umfrage des frazösischen CSA-Instituts zufolge sind 81 Prozent der Franzosen der Meinung, dass der Kampf gegen den radikalen Islam eine Priorität der Regierung werden soll. Das Ausmaß des Phänomens überschreitet soziale und generationsübergreifende Grenzen. Für 90 % der über 65-Jährigen ist dieser Kampf eine Priorität, verglichen mit 78 % der 18- bis 24-Jährigen und 68 % der 25- bis 34-Jährigen. Männer (82 %) und Frauen (80 %) sind sich einig, ebenso wie die ganze Bevölkerung (82 %). Diese Zahlen belegen die wachsende Besorgnis über die Ausbreitung des Islamismus, der in Institutionen, Sport, Kultur und öffentliche Räume eindringt. Sie werden in einem beunruhigenden Bericht über den wachsenden Einfluss der Muslimbruderschaft in Frankreich angedeutet, der mit Geld und Imamen aus den Golfstaaten unterstützt wird und den Emmanuel Macron selbst in Auftrag gegeben hatte.

Dieser fast 80 Seiten umfassende Bericht, der von der Tageszeitung „Le Figaro“ enthüllt wurde und eigentlich vertraulich bleiben sollte, wirkte wie ein Elektroschock. Es ist keine Überraschung, dass der streitbare Innenminister Bruno Retailleau1 kürzlich mit überwältigender Mehrheit zum Vorsitzenden der Partei „LR“ (Les Républicains) gewählt wurde, der er seit langem angehört. Bei dieser nationalkonservativen Partei handelt es sich um die ehemalige neogaullistische Partei, die von ihrem ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy umbenannt wurde. Retailleau gilt als Vorkämpfer im Kampf gegen die Islamisierung Frankreichs, gegen die übermäßige Einwanderung (500.000 legale Einwanderer pro Jahr, dazu kommen illegale), sowie gegen den Drogenhandel und die Verbreitung der Gewalt, insbesondere unter bestimmten jungen Menschen. Er bezeichnete das Bildungswesen in Frankreich als „Fabrik der Barbaren“

Bruno Retailleau, französischer Innenminister, Präsident der neokonservativen Partei  von ehemals Nicolas Sarkozy, „ Les Républicains“ (im Aufwind, Mitgliederzahl 120 000, seit 2024 verdreifacht)

Biografie von Bruno Retailleau. Retailleau wurde am 20. November 1960 in Cholet (Region Maine et Loire, Westfrankreich) geboren und ist seit September 2024 Innenminister in der Regierung von Michel Barnier und dann in der Regierung von François Bayrou. Von 2010 bis 2015 war er Vorsitzender des Generalrats der Region Vendée und von 2004 bis 2024 der Region  Pays de la Loire. Im Jahr 2010 verließ er die „Bewegung für Frankreich“ des Hypernationalisten Philippe de Villiers und schloss sich der gemäßigteren neogaullistischen Partei „Les Républicains“ an. Präsident dieser Partei wurde er erst, als er Laurent Vauquiez am 18. Mai 2025 mit 74 % der Stimmen besiegte. Auch in Meinungsumfragen genoss er massive Zustimmung. Er gehört dem konservativen Flügel der „Républicains“an und bekräftigte rasch seinen Wunsch, in Frankreich „die Ordnung wiederherzustellen“. Er gilt als einflussreichste Figur in der Regierung und hat gute Chancen, im Jahr 2027 die Nachfolge von Emmanuel Macron als Präsident der Republik anzutreten.

Retailleau hebt sich von seinen Konkurrenten im eigenen Lager durch seine Offenheit und klaren Ideen ab. Er ist das genaue Gegenteil seines Premierministers François Bayrou, eines eingefleischten Zentristen und Verfechters des Verhältniswahlrechts, der politisch kaum einzuordnen ist und der 2012 den Republikaner Nicolas Sarkozy (französischer Präsident von 2007 bis 2012) zu Fall brachte, um den Sozialisten François Hollande (2012 bis 2017) zum Präsidenten der Republik zu wählen. Dessen gesellschaftliches (Homo-Ehe) und juristisches (allgemeine Strafminderung) Erbe ist katastrophal, fast so negativ wie das von Emmanuel Macron, der sich derzeit bei drei Vierteln der Franzosen einer Rekordunpopularität „erfreut“ und sich mittlerweile nur noch mit der Außen- und Europapolitik befasst und Frankreich in Bayrous „guter Obhut“ zurücklässt.

Die Schlussfolgerungen des Berichts über den islamistischen Einfluss entsprechen sicherlich nicht den Erwartungen von Präsident Macron, der seit seiner ersten Wahl im Jahr 2017 die Karte der „arabischen Politik“ spielt. Die Enthüllungen werden durch die verdeckten Aktivitäten algerischer diplomatischer und geheimer Dienste in Frankreich, durch die antifranzösische Feindseligkeit der algerischen Behörden und die willkürliche Verhaftung des liberalen französisch-algerischen Schriftstellers Boualem Sansal in Algerien verschärft. Macron zeigte lange gegenüber Sansal keine Geste der Unterstützung, ebenso wenig wie er an der Demonstration zur Unterstützung Israels nach dem Massaker der terroristischen Hamas vom 7. Oktober 2023 teilnahm. Genauso wie er heute Palästina unterstützt.

Der vernichtende Text beschreibt eine Strategie der islamistischen Unterwanderung von Institutionen, Vereinen und vielen muslimischen Gotteshäusern. Darin sind 139 muslimische Gotteshäuser aufgeführt, die mit der Organisation „Muslim-Bruderschaft“ in Verbindung stehen, wobei 68 davon als ihr sehr nahestehend gelten. Seine Veröffentlichung markiert einen Wendepunkt, von dem es kein Zurück mehr gibt. Diese bemerkenswerte Beobachtung veranlasst die Regierung dazu, „Taten“ statt „Worte“ anzukündigen. Die Regierung versucht zwar, die Debatte zu unterdrücken und die Aufmerksamkeit auf zweitrangige gesellschaftliche Probleme zu lenken (Debatte über das Lebensende,  Termine der Schulferien, usw.), aber das hilft nicht. Bruno Retailleau, der künftige Kandidat der LR, hat nun gute Chancen auf die französische Präsidentschaft im Jahr 2027. Die Verfassung verbietet Macron, der bei den Präsidentschaftswahlen ohnehin keine Chance hätte, ein drittes Mal für sein derzeitiges Amt zu kandidieren.

Eine große Mehrheit der Franzosen denkt, dass ein Notfall vorliegt. Infolgedessen schneidet Retailleaus LR-Partei dem rechtsextremen RN (Rassemblement National) von Marine Le Pen und Jordan Bardella den Boden unter den Füßen weg. Laut der CSA-Umfrage wünschen sich mehr als acht von zehn Befragten (81 %), dass die Regierung dem Kampf gegen den radikalen Islam Priorität einräumt. Die Unterstützung für diese Idee ist enorm, sie ist im rechten Lager nahezu einstimmig (97 % bei den LR-Wählern, 95 % bei der RN), sehr hoch bei den Macron-Sympathisanten (88 %) und nicht zu vernachlässigen im linken Lager (71 % bei der Sozialistischen Partei, 57 % bei den ultralinken islamofaschistischen Insoumis, 56 % bei den Grünen). Das Präsidialamt und die Regierung können sich der Polemik nicht mehr entziehen. Mohameddanische und nicht mohammedanische Länder wie Jordanien, Saudi-Arabien und Österreich haben die Muslimbruderschaft verboten. Frankreich kann nicht länger zögern, dasselbe zu tun.

Angesichts dieses wachsenden Drucks versprach der zum Vorsitzenden der Republikaner aufgestiegene Innenminister dem Senat „eine bessere Organisation des Staates“ in diesem Bereich. Er erwähnte insbesondere die Schaffung einer Sonderstaatsanwaltschaft, die für die beschleunigte Auflösung islamistischer Vereine zuständig sein soll, sowie eines „Geheimdienstleiters“, um die Bemühungen besser zu koordinieren. „Wir müssen dieses Problem direkt angehen“, betonte er. Auf der Linken und in der ultralinken LFI und den Grünen verurteilen einige seinen „komplotistischen Diskurs“, während seine Worte im Gegenteil aufschlussreich ind. Andere bedauern wieder einmal das „Amalgam der guten, gemäßigten Moslems mit den Islamisten“, aber man hört ihnen nicht mehr zu. Retailleau und sein LR-Kollege Gérald Darmanin, Justizminister, führen de facto die Regierung.

(C’l’Europe. 27.05.2025)


  1. Ausprache des Namens : Rötajo. ↩︎